CD Besprechungen:

"Vstavaj - Steh auf!"

Wenn wieder mal

Wenn wieder mal ...
Die dritte Rotdorn-CD ist da

Pünktlich zum Pressefest erscheint die dritte CD der Politfolkgruppe Rotdorn aus Hamburg. Gleich vorab: Rotdorn ist kein Trio mehr, sondern hat vor über einem Jahr Verstärkung bekommen. Jens Wolf spielt Bass und Gitarre und singt. Dieser Zugewinn macht sich bei allen Songs des neuen Albums bemerkbar: im Unterschied zu früher wirkt die Musik von Rotdorn - vor allem durch die Basslinien - noch kraftvoller.

Mit den 14 neuen Liedern hat Rotdorn endgültig den Beweis angetreten, dass sie nicht "nur" im Antifa-Bereich beheimatet sind. Rotdorn legt mit der neuen CD quasi ein Konzeptalbum ihrer Vielseitigkeit vor. Es gibt darauf (endlich!) einige Dialektstücke in Plattdeutsch (die Übersetzung ist nicht nur für Franken trotz des Textheftes nicht einfach), ebenso jiddische, amerikanische und bolivianische Songs, Stücke mit irischen Elementen und Klassiker wie "Joe Hill", der Oktoberklub-Hit "Sag' mir wo du stehst" sowie zwei Lieder der norddeutschen Liedermacherlegende Helmut Debus.

Was die Auswahl der Lieder angeht, liegt Rotdorn wie immer auf der Höhe der Zeit - genauer gesagt des Zeitgeistes.

Beispielhaft steht für mich die Interpretation eines der bekanntesten Antikriegs-Lieder, nämlich "Le déserteur" (Text: Boris Vian). Tragend ist dabei die ausdrucksvolle Stimme von Sabine Loos (im Dialog mit Peter Schenzer) und eine schöne Untermalung mit Akkordeon. Das Lied entstand während des Indochina-Krieges und wurde 1955 vom französischen Präsidenten verboten.

Vor dem Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr und des kürzlichen Attentats, dem drei Bundeswehrsoldaten und mehrere Zivilisten zum Opfer fielen, hat dieser Protestsong eine brandneue Aktualität.

Herausragend ist auch das engagierte Lied "Ihr fünf seid bei uns!", in dem die Solidarität mit den "Cuban 5" bekundet wird. Mit dem bekannten Song von Antropos "Mach mit!" beschreitet Rotdorn Neuland: er wird tatsächlich (wie es sich gehört) als Rocksong präsentiert! Der bolivianische Song "Minerito" ist ein traditioneller Huayño und beschreibt das elendige Leben der Minenarbeiter in Bolivien.

Eine ganz besondere Note erhält der Song durch den oktavierten Gesang von Sabine. Und zu den Ohrwürmern der CD gehört für mich das bekannte antifaschistische Lied "Mein Vater wird gesucht" (in der damaligen Bundesrepublik vor dreißig Jahren bekannt gemacht durch Zupfgeigenhansel). Mit diesem und der Interpretation anderer historischer Lieder greift Rotdorn frühzeitig das Thema des nächsten Kulturforums der DKP 2008 auf, das unter dem Motto stehen wird "das Neue im Alten". Musikalisch präsentiert sich Rotdorn mit dem Album in neuer Qualität. Rotdorn ist vielseitiger geworden (der klassische Rotdorn-Sound bleibt natürlich erhalten), bei vielen Liedern dominieren die Flötenkünste von Sabine (ich zähle nicht alle Flöten auf) und Mandolinen. Unterstützung gibt es außerdem von Gudrun Rieffel (Banjo), Holger Wilden (Lapsteel, Concertina) und Dieter Rentzsch (Akkordeon). Angenehm auffallend sind mehr Effekte bei den Saiteninstrumenten (manchmal etwas überzogen) und eine absolute Steigerung, was die Arrangements der Songs betrifft (sowohl beim Gesang als auch instrumental).

Nicht zuletzt: Schmiddel hat in seinem "Fliegender-Teppich-Studio" beim Aufnehmen und Mix gute Arbeit geleistet! Zusammenfassend: Die CD ist unbedingt hörenswert! Eine knappe Stunde Rotdorn mit einer großen Bandbreite an Stimmungen (nachdenklich, kämpferisch, laut, aufklärend) und musikalischen Einflüssen. Mir persönlich gefällt Rotdorn am besten, wenn ihre Wurzeln deutlich werden: mit nord- und plattdeutschen Liedern und im Volksliedhaften.
Werner Lutz

Lokalberichte Hamburg, 18. Jahrgang, Nr.13 vom 21.06.07